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Body Positivity Kritik: Was Body Positivity nicht ist

Body Positivity ist ein Konzept, das vor allem durch Plus-Size-Bloggerinnen und -Models im deutschsprachigen Raum populär wurde. Doch auf diesem Wege ist es auch zu Missverständnissen gekommen, die sich hartnäckig halten. Verherrlicht Body Positivity Übergewicht? Musst du dich jetzt lieben? Sind wirklich alle Körper schön? In diesem Artikel greift Marshmallow Mädchen Kritik an Body Positivity auf und erklärt, was Body Positivity ist und vor allem nicht ist.

Body Positivity ist ein Konzept, das vor allem durch Plus-Size-Bloggerinnen und -Models im deutschsprachigen Raum populär wurde. Doch auf diesem Wege ist es auch zu Missverständnissen gekommen, die sich hartnäckig halten. Verherrlicht Body Positivity Übergewicht? Musst du dich jetzt lieben? Sind wirklich alle Körper schön? In diesem Artikel greift Marshmallow Mädchen Kritik an Body Positivity auf und erklärt, was Body Positivity ist und vor allem nicht ist.
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Wenn du Body Positivity googelst, warten gleich die Überschriften der ersten Ergebnisse mit fatalen Irrtümern über das Konzept auf. Diese Verkürzungen sind nicht unbedingt überraschend, doch auf diese Weise wird ein wichtiges gesellschaftskritisches Konzept verwässert und weichgespült. Denn Body Positivity ist aus dem Aktivismus hauptsächlich dicker schwarzer Frauen in den USA der 1970er Jahre entstanden und entwickelt sich seitdem durch die Menschen weiter, die es verbreiten.

Meine Definition von Body Positivity erhebt deshalb auch keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Doch es gibt Kritik an Body Positivity, die größtenteils auf hartnäckigen Missverständnissen beruht, die ich gerne aufgeklärt wüsste. Denn diese Fehlannahmen schaden der Bewegung, weil sie Oberflächlichkeiten in den Vordergrund rücken und die wirklich relevanten und potenziell gesellschaftsverändernden Aspekte auslassen. Deshalb erkläre ich dir im Folgenden, was Body Positivity ist und nicht ist.

Body Positivity Kritik 1: Body Positivity verlangt von mir, dass ich Dicke – auch mich selbst – schön finden muss

Es wird immer wieder behauptet, das Ziel von Body Positivity wäre, dass du dich und andere schön finden müsstest, „weil alle Körper schön sind“. Zwar rebelliert Body Positivity gegen das herrschende (westliche) Schönheitsideal, doch mit Schönheit hat Body Positivity an sich gar nichts zu tun.

Body Positivity ist es vollkommen egal, wen du „schön“ oder „(sexuell) attraktiv“ findest. Das sind persönliche Vorlieben, die dir niemand nehmen will. Für Body Positivity geht es im weitesten Sinne um Respekt gegenüber allen Körpern; insbesondere denen gegenüber, die die Gesellschaft nicht als „schön“ definiert und die deshalb individuell beschämt und strukturell diskriminiert werden (marginalisierte Körper).

Body Positivity ist ein gesellschaftspolitisches Konzept, das ein Ende (intersektionaler) Diskriminierung aufgrund des Aussehens fordert und sich für die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe marginalisierter Körper einsetzt. Das sind nicht nur dicke Körper, sondern auch andere „nicht ideale“ Körper, die benachteiligt werden, wie zum Beispiel generell weibliche Körper, alte Körper oder Körper mit Behinderungen.

Es ist deshalb also gar nicht nötig, dass du dich selbst schön findest. Du sollst deinen Körper und die Körper aller anderen mit Respekt zu behandeln, und zwar ganz unabhängig davon, ob diese Körper deinen persönlichen ästhetischen Ansprüchen genügen. Mehr „verlangt“ Body Positivity nicht, denn es geht ja genau darum: Dein Körper (und die aller anderen) sind gut – so wie er jetzt gerade ist, wie er mal war und wie er mal sein wird.

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Body Positivity Kritik 2: Body Positivity verlangt von mir, dass ich meinen Körper lieben muss

Im Deutschen verfügten wir lange über keine adäquate Übersetzung von Body Positivity. Deshalb musste oft das Wort Selbstliebe als Gleichnis herhalten. Die Bedeutungen beider Begriffe überschneiden sich zwar, besetzen aber sehr unterschiedliche Schwerpunkte. Doch daher rührt wohl das Missversändnis, Body Positivity hieße, den eigenen Körper lieben zu müssen.

Viele Menschen, die Body Positivity für sich entdeckt haben, werden von sich behaupten, dass sie mit sich im Reinen sind oder sich sogar selbst lieben. Das hängt damit zusammen, dass Body Positivity in einer körperzentrierten Gesellschaft wie der unseren durchaus ein erster Schritt zur Selbstliebe sein kann. Dich selbst oder deinen Körper zu lieben ist jedoch keine Voraussetzung, um body-positiv zu sein.

Wie ich oben beschrieben habe, ist die Triebfeder von Body Positivity Respekt vor allem auf einer gesellschaftspolitischen Ebene. Selbstliebe hingegen ist die vollumfassende Annahme deines eigenen Selbst, also eher ein ichbezogenes, psychologisches Konzept.

Heutzutage gibt es einige deutsche Wörter, die Body Positivity treffender beschreiben als Selbstliebe, zum Beispiel Körperpositivität, Körperakzeptanz oder Körperdiversität. Für all das ist es nicht notwendig, deinen Körper zu lieben. Body Positivity animiert dich jedoch zu hinterfragen, warum es gesellschaftlich akzeptabel oder sogar gefordert ist, deinen (dicken) Körper abzulehnen, während Körperliebe verpönt ist („Eigenlob stinkt“).

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Body Positivity Kritik 3: Body Positivity ist zwanghafte Positivität

Welche Bedeutung hat die Positivität in der Body Positivity? Ist das Ziel, deinen Körper täglich abzufeiern und immer fein mit ihm zu sein? Wie du bis hierhin erfahren hast, ist es für eine body-positive Lebenseinstellung nicht nötig, den eigenen Körper lieben, verehren und schön finden zu müssen (du darfst aber natürlich).

Für dich als Individuum kann es nach Jahren und Jahrzehnten des Körperhasses ein riesiger Erfolg und eine enorme Erleichterung sein, einen Waffenstillstand mit deinem Körper zu erreichen. Du findest ihn also weder besonders toll noch besonders blöd, aber bist einfach dankbar dafür, dass er da ist und seinen Job macht. Diese Einstellung nennt man auch Body Neutrality.

Body Positivity stellt darüber hinaus jedoch die gesellschaftliche Frage, warum es das höchste der Gefühle sein sollte, den eigenen (weiblichen) Körper bloß zu tolerieren. Warum wird von weiblich gelesenen Menschen geradezu erwartet, auf schlimmste Weise über den eigenen Körper zu urteilen, während ein simples „Ich mag meinen Körper, so wie er ist“ weder akzeptiert noch wirklich geglaubt wird?

Das eigentlich Revolutionäre der Body Positivity liegt also gerade in der Positivity. Sie hinterfragt gesellschaftliche Machtstrukturen. Das Ziel ist, die derzeitigen Gegebenheiten für alle zum Besseren zu verändern.

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Body Positivity Kritik 4: Body Positivity ist nur ein Marketing-Hashtag

Body Positivity ist also ein ziemlich komplexes Konzept, das weitreichende gesellschaftliche Veränderungen fordert. Auch das ist ein Grund, warum es so oft mit soften Schlagwörtern wie „Schönheit“ und „Liebe“ kombiniert wird. Denn mit Gesellschaftskritik lässt sich im Kapitalismus nichts verkaufen.

Als Body Positivity im deutschsprachigen Raum zu trenden begann, ist das natürlich auch den Unternehmen aufgefallen, die vom Schönheitsideal profitieren – oder die nur aufgrund dessen überhaupt existieren, zum Beispiel die Diätindustrie. Also war es für sie sinnvoll, den Begriff zu kapern und zum eigenen Vorteil zu pervertieren. Du darfst dich jetzt schön finden oder gar lieben, auch wenn du minimal vom Schönheitsideal abweichst. Dafür musst du nur diese Creme benutzen!

Ungünstiger Nebeneffekt in den sozialen Medien ist, dass diese „Body Positivity light“ über Hashtags vor allem von normschönen, nicht-dicken, weißen, jungen Frauen Verbreitung findet. Nicht falsch verstehen: Body Positivity ist für alle Menschen da, die Probleme mit ihrem eigenen Körperbild haben oder Opfer von Body Shaming sind. Doch wenn ausschließlich nicht-marginalisierte Körper eine weichgespülte Form der #bodypositivity besetzen, werden marginalisierte Körper erneut unsichtbar. Deshalb nutze ich bei Instagram den Hashtag #radikalebodypositivity.

Denn Body Positivity ist eben keine Wohlfühlmarke, sondern ein radikales gesellschaftspolitisches Konzept (Radikalität bedeutet hier: Antidiskriminierung – traurig genug, dass das heutzutage noch radikal ist). Damit richtet es sich ausdrücklich gegen die kapitalistische Förderung und Ausbeutung unserer Körperunsicherheiten. Man kann strukturelle Diskriminierung nicht wegcremen.

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Body Positivity Kritik 5: Body Positivity ist nur eine Ausrede für faule Dicke

„Body-positiv nennen sich ja nur die, die zu doof und zu faul zum Abnehmen sind. Die haben aufgegeben und machen es sich unter dem Deckmäntelchen der Body Positivity mit ihrer Disziplinlosgkeit bequem.“ So oder ähnlich verstehen manche Menschen Body Positivity, wenn dick_fette Körper Respekt verlangen.

Dieses Vorurteil geht davon aus, dass Body Positivity im Gegensatz zu Diäten der Weg des geringsten Widerstands wäre. Doch ist Body Positivity hier wirklich die einfache Antwort? Oder ist es nicht vielmehr umgekehrt? Indem ich meinen Körper – unter Einsatz meiner Gesundheit – in einen vermeintlichen Idealzustand quäle, passe ich mich dem vollkommen dysfunktionalen System der Diätkultur an. Als „Belohnung“ werde ich nicht mehr diskriminiert (Thin Privilege), aber trotzdem weiterhin beschämt, weil mein Körper ja noch ein bisschen perfekter sein könnte, zumindest ein bisschen straffer, weniger alt und ein bisschen weißer – oder auch ein bisschen gebräunter, je nachdem.

Body Positivity hingegen ist der Gegenentwurf zur schädlichen Diätkultur. Diesen Weg einzuschlagen, ist alles andere als einfach – aber lohnenswert, weil diese Lösung dir wirklich Frieden mit deinem Köper bringt. Es ist ein langwieriger, oft lebenslanger Prozess. Er erfordert, hinter Überzeugungen zu blicken, die wahrscheinlich nicht deine eigenen, aber dennoch tief verankert sind. Über Jahre antrainierter Selbsthass wird Stück für Stück abgetragen. Das ist eine Höchstleistung an Reflektiertheit und Gegen-den-Strom-Schwimmen, was dich permanenter Kritik und Angriffen von außen aussetzt – obwohl du einfach nur deinen Körper nicht hassen willst.

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Body Positivity Kritik 6: Body Positivity verherrlicht Übergewicht

Der nicht totzukriegende Klassiker der Body-Positivity-Kritik: Indem du deinen dicken Körper nicht ablehnst, glorifizierst du „Übergewicht“.

Dieser Vorwurf ist gleichermaßen frustrierend wie amüsant. Denn offensichtlich leben wir in einer Gesellschaft, die zur Profitmaximierung systematisch Propaganda für den schlanken Körper macht – und zwar ohne Grenzen. Lieber krank oder sogar tot als dick, scheint hier das Motto zu sein. Von „Schlankheitspillen“, vor deren Gesundheitsschädlichkeit regelmäßig behördlich gewarnt wird, bis zu verstümmelnden Magen-OPs ist dabei alles erlaubt. Essgestörte Verhaltensweisen werden von Ärzt_innen als „Therapie gegen Übergewicht“ empfohlen und wider aller wissenschaftlicher Erkenntnisse der letzten mindestens 70 Jahre ein krankmachender Abnehmzwang lanciert.

Demgegenüber steht eine kleine Gruppe, die diese Vorgehensweisen hinterfragt und sich dabei zusehends auf Forschungsergebnisse berufen kann. Hand aufs Herz: Wie viele Menschen kennst du, die dicke Body-Positivity-Aktivist_innen bei Instagram gesehen haben und jetzt alles tun, um zuzunehmen? Und wie viele Menschen hast du in deinem Umfeld, deren Leben ständig um „Gewichtsmanagement“, Diäten und Abnehmen kreist?

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Body Positivity Kritik 7: Body Positivity verbietet mir abzunehmen

Body Positivity verbietet dir überhaupt nichts. Sie lädt dich lediglich dazu ein, deine Beweggründe und Ziele zu hinterfragen.

Da Body Positivity als Gegenkonzept zur vorherrschenden Diätkultur agiert, stimmt es allerdings, dass es nicht inhärent body-positiv ist, Dinge zu tun oder zu lassen mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren. Wenn du also auf eine bestimmte Weise isst oder dich bewegst, um (auch) abzunehmen („bewusstes Abnehmen“), ist das Diätmentalität. Ist es verwerflich, abnehmen zu wollen? Nein, denn in der Diätkultur werden wir ja alle so sozialisiert, dass wir an das „Allheilmittel“ Gewichtsverlust glauben.

Ist es aber sinnvoll, abnehmen zu wollen? Auch nein, denn diätkulturelle Glaubenssätze sind Lügen. Es ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass wir keine einzige Methode kennen, mit der eine große Gruppe von Menschen nachhaltig signifikant Gewicht verlieren kann. Im Gegenteil wissen wir, dass Abnehmenversuche mit bis zu 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit scheitern und du mit etwa 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit danach sogar mehr wiegen wirst als vorher.

Lebst du allerdings dein bestes body-positives Leben, heilst so zum Beispiel dein gestörtes Verhältnis zum Essen, konzentrierst dich auf die Dinge, die dein Wohlbefinden wirklich verbessern, und infolgedessen verändert sich dein Körper, dann wäre diese zufällige Abnahme nicht durch diätkulturelle Glaubenssätze getrieben („inzidentes Abnehmen“). Sie ist an keinerlei moralische Bewertungen geknüpft. Du lebst nach deinen wahren Bedürfnissen. Der Gewichtsverlust ist natürlich, dir letztlich vollkommen egal und hat keinerlei Einfluss darauf, wie du über dich selbst denkst.

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Body Positivity Kritik 8: Body Positivity rechtfertigt einen ungesunden Lebensstil

Wer das glaubt, geht davon aus, dass man einem Menschen von außen seinen Lebensstil und Gesundheitszustand ansehen kann. Diese Einstellung trägt enorm zur Stigmatisierung und Diskriminierung marginalisierter Körper bei, weil sie „Gesundheit“ zusätzlich einen moralischen Wert beiordnet (Healthism). Mit „Krankheit“ verliert ein Körper in einer neoliberalen Welt also an Wert.

Dieses leistungsorientierte Verständnis des Gesundheitsbegriffs ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Nicht nur für dicke Menschen, aber sie sind auf eine besonders widersprüchliche Art davon betroffen. Denn auf der einen Seite wird ihnen permanent unterstellt, krank zu sein oder zwangsläufig krank zu werden. Auf der anderen Seite wird ihnen der Zugang zu Gesundheitsleistungen systemisch erschwert. Sie erhalten eine schlechtere medizinische Behandlung aufgrund ihres Gewichts. Krankheiten – vom Diabetes bis zur Essstörung – werden bei ihnen später oder gar nicht erkannt. Medizinisches Equipment (Liegen, Blutdruckmanschetten, MRTs usw.) ist nicht für ihre Körper ausgelegt. Und Sportbekleidung gibt es kaum in großen Größen.

Body Positivity hingegen ist eng verknüpft mit dem gewichtsneutralen Ansatz Health At Every Size, der Gesundheit als ein komplexes System mannigfaltiger Faktoren begreift. So legt Body Positivity den Fokus darauf, dass du lernst, nach deinen individuellen Möglichkeiten selbstfürsorglich zu handeln, belastende Erfahrungen aufarbeitest und Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gegen eine fettfeindliche Umwelt aufbaust. Darüber hinaus animiert sie dich zu Lebensfreude, einem intuitiven Essverhalten und freudvoller Bewegung.

Auf diese Weise fördert Body Positivity nachweislich die körperliche und seelische Gesundheit, erhöht Wohlbefinden sowie Lebensqualität maßgeblich und setzt sich gleichzeitig gegen Diskriminierung und für den gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen ein.

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Body Positivity Kritik 9: Body Positivity macht krank, weil nichts gegen Fettleibigkeit getan wird

„Ich bin body-positiv, aber so fett ist ungesund!“ Wer das denkt, ist eben nicht body-positiv. Denn Body Positivity ist bedingungslos. Es geht um Respekt gegenüber allen Körpern. Deshalb ist vollkommen irrelevant, ob oder warum jemand krank ist. Wer Spekulationen über den Gesundheitszustand anstellt, respektiert sein Gegenüber nicht, sondern bewertet es.

Abgesehen davon, ist „Übergewicht macht krank“ bloß eine „gefühlte Wahrheit“, einer dieser diätkulturellen Glaubenssätze, die tief in der Gesellschaft verankert sind. Denn tatsächlich konnte diese Hypothese niemals objektiv bestätigt werden und fußt lediglich auf einem Weight Bias (Vorurteile gegenüber dicken Menschen in der Wissenschaft).

Studien ohne Weight Bias zeigen hingegen, dass sogenannte „mit Übergewicht assoziierte Krankheiten“ eben nicht durch ein hohes Gewicht ausgelöst werden. Hier besteht lediglich eine Korrelation. Ursächlich für vermeintliche „Dicken-Krankheiten“ sind vor allem genetische Faktoren und die Folgen von Gewichtsschwankungen (Jo-Jo-Effekt nach Diäten), die bei dicken Menschen aufgrund des Abnehmdrucks häufiger und ausgeprägter auftreten. Darüber hinaus ist belegt, dass Body Shaming und Gewichtsdiskriminierung die Gesundheit massiv gefährden sowie das Sterblichkeitsrisiko unabhängig von der „Gewichtsklasse“ (BMI) signifikant erhöhen.

Demgegenüber existiert kein einziger Nachweis für eine ursächliche dauerhafte Gesundheitsverbesserung durch bloßen Gewichtsverlust. Dafür gibt es zahlreiche Belege über die schädlichen Folgen für Körper und Psyche durch Abnehmstress und Jo-Jo-Effekt (Weight Cycling).

Untersuchungen zu körperpositiven Ansätzen wie Body Positivity, Health At Every Size oder Intuitivem Essen hingegen zeigen, dass sich Menschen, die ihren Körper akzeptieren, fürsorglicher um sich selbst kümmern. Das unterstützt gesundheitsfördernde Verhaltensweisen wie eine vielfältigerer Ernährung, freudvoller körperliche Aktivität und verbesserte „seelischer Hygiene“.

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Body Positivitiy Kritik 10: Body Positivity dreht sich nur um den Körper – Body Neutrality ist besser

Ja, Body Positivity ist ein vom Körper ausgehendes Konzept. Das wird oft kritisiert: Auf diese Weise behielten der Körper und sein Aussehen ihre überzogene Bedeutung in unserer Gesellschaft. Kritiker_innen sprechen sich deshalb oft für Body Neutrality aus. Bei diesem Ansatz wird der Körper neutral betrachtet; er ist weder gut noch schlecht, sondern einfach da.

Das Missverständnis hierbei ist, dass sich dieses Ziel nicht von dem der Body Positivity unterscheidet. Der Körper als Bewertungsgrundlage des Menschen muss überwunden werden. Doch das ist heute noch eine Utopie. Denn wir leben nun mal in einer Welt voller Lookismus, in der wir aufgrund unseres Aussehens bewertet werden. Das ist total bescheuert und unfair, aber über Patriarchat, Kapitalismus und Neoliberalismus realer Teil unserer Kultur und ihrer Machtstrukturen.

Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht loswerden, indem wir sie ignorieren, unsere Körper zähneknirschend tolerieren und schweigen. Wir müssen so lange über Körper reden, bis wir nicht mehr über Körper reden müssen.

Besonders schade an dieser Body-Positivity-Kritik ist, dass Body Neutrality sich vor allem entwickelt hat – entwickeln musste -, eben weil Missverständnisse und absichtliche Fehlinformationen über Body Positivity unreflektiert weitergetragen wurden. Denn Body Neutrality richtet sich ja vor allem dagegen, dass Body Positivity angeblich damit überfordere, Körper lieben und schön finden zu müssen (s. Punkte 1 und 2). Radikale, laute Body Positivity und ihre viele Verwandten sind als gesellschaftspolitische Konzepte gegen aussehensabhängige Diskriminierungen und für die soziale Gleichberechtigung marginalisierter Körper unabdingbar.

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Body Positivity Kritik 11: Body Positivity ist überflüssig

Dicke Menschen sind tagtäglich Body Shaming ausgesetzt, stigmatisieren sich selbst und werden strukturell diskriminiert. Ihre Lebensqualität sowie ihre Chancen im Leben sind dadurch ohne objektiven Grund massiv eingeschränkt, wie du in diesem und den weiterführenden Artikeln erfahren hast. Deshalb benötigen wir Body Positivity dringend als Gegenidee zur Diätkultur.

Denn Diätkultur betrifft nicht nur Personen mit hohem Gewicht. Auch schlanke Menschen leben in der ewigen Angst zuzunehmen, weil sie ahnen, was ein Leben als Dicker bedeutet. In einer Gesellschaft, die derart auf Äußerlichkeiten fokussiert ist, dass sie ein Schönheitsideal erschaffen hat, dem quasi niemand mehr entsprechen kann, gibt es kaum Menschen, die kein Problem mit ihrem Körperbild haben. Wenn du also jemals dachtest, du wärst weniger wert oder nicht liebenswert, weil du aussiehst, wie du aussiehst, dann ist Body Positivity vermutlich auch etwas für dich.

Obwohl die Bewegung eng mit dicken Körpern verknüpft ist, versteht sie sich ausdrücklich als intersektional und setzt sich für alle marginalisierten Körper, für soziale Gerechtigkeit und gegen jegliche Form von Diskriminierung ein. Deshalb überschneiden sich ihre Inhalte und Forderungen auch vielfach mit anderen gesellschaftspolitischen Konzepten wie Feminismus, Anti-Rassismus, Anti-Ableismus, Anti-Ageismus und Anti-Kapitalismus.

Niemand braucht Body Positivity? Falsch. Wir alle brauchen Body Positivity.

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Titelfoto: Mario Purisic

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