Unsere (dicken) Körper abzulehnen, ist tief in uns verwurzelt. Doch Selbsthass ist nicht die Antwort auf ein hohes Gewicht. Denn jede mehrgewichtige Frau kann sich auf den Weg machen, mit ihrem Körper Frieden zu schließen. In diesem Artikel erfährst du, welche drei wichtigen Schritte dir dabei helfen, Body Positivity zu lernen.
Bei Marshmallow Mädchen geht es um Body Positivity, also darum, deinem eigenen Körper (und denen anderer) respektvoll zu begegnen (→ Was ist Body Positivity?). Für viele mehrgewichtige Frauen ist das Neuland, denn noch nie hat ihnen jemand erlaubt, ihren dicken Körper mit einem freundlichen Blick zu betrachten und einfach so sein zu lassen, wie er ist.
Im Gegenteil: Den meisten (dicken) Frauen ist seit jeher eingeimpft worden, die Armada negativer Assoziationen zu ihrem Gewicht anzunehmen. So sind sie oft gar nicht mehr in der Lage, sich selbst und ihren Körper anzunehmen – nicht einmal, wenn sie wollen.
Wie ich Body Positivity lernte
Dicke Frauen dabei zu unterstützen, ihren Körper annehmen zu lernen und gelernte Gedankenmuster zu hinterfragen, ist meine Berufung. Seit über einer Dekade beschäftige ich mich mit Body Positivity; seit 2016 gibt es Marshmallow Mädchen als body-positive Informations- und Inspirationsplattform. Seitdem bekomme ich oft Komplimente für mein Selbstbewusstsein. In den meisten Hilferufen, die mich erreichen, steht ein Satz wie: „Ich wäre auch gern so selbstbewusst wie du, aber ich kann meinen Körper einfach nicht akzeptieren.“ (→ Wenn du deinen Körper nicht lieben kannst)
Aber auch für mich ist das nicht selbstverständlich. Auch ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, mich und meinen Körper zu hassen (und ich verwende dieses Wort wirklich nicht leichtfertig). Ich habe Diäten gemacht, es immer wieder versucht. Abgenommen, zugenommen – doch erst mit der Body Positivity änderte sich alles (→ Wie Body Positivity mein Leben verändert hat). Was uns die Diätkultur nämlich verschweigt, ist, dass eine Gewichtsabnahme kein gestörtes Körperbild kuriert. Wenn du dich dick nicht leiden kannst, wirst du dich auch nicht lieben, wenn du schlank bist.
Doch Body Positivity, also einen freundlichen und bedürfnisorientierten Umgang mit dem eigenen Körper, kann man lernen. In erster Linie verlangt das, die Perspektive zu wechseln. Indem wir Dinge hinterfragen und so falsche Denkmuster und Glaubenssätze auflösen, verändern wir unsere Geisteshaltung. Wie unser Gehirn wahrnimmt, verändert uns, also unsere Denkweise und die Struktur unserer Einstellungen. Den eigenen Körper anzunehmen ist Kopfsache – und völlig unabhängig von deinem Aussehen oder Gewicht (→ Wie ich lernte, dick und selbstbewusst zu sein).
Dieser Prozess ist absolut individuell; es gibt also keine Checkliste, die du nur abarbeiten musst und – bäm! – bist du body positiv (→ Sorry, es gibt keinen Plan (Mampfschrift)). Aber du kannst dich inspirieren lassen von anderen Menschen, die den Weg schon gegangen sind. Im Folgenden verrate ich dir drei wichtige Schritte, die ich unternommen habe, um Body Positivity zu lernen. Auf diese Weise begann meine Reise von einer unsicheren, essgestörten, sich selbst hassenden „fetten Sau“ (→ Hau ab, du fette Sau! (Fat Shaming)) zu einer selbstbewussten und glücklichen dicken Frau.
1. Such dir body-positive Vorbilder, um Body Positivity zu lernen
Was du konsumierst, prägt deine Realität. Wir nennen das: deine Sehgewohnheiten. Die Medien, die uns tagtäglich umgeben, sind allerdings wenig body-positiv. Sie kennen nur ein Schönheitsideal: jung, schlank, makellos und weiß (→ Warum wir das Schönheitsideal überwinden müssen). Das Problem dabei ist: Je öfter wir etwas sehen, für desto „normaler“ und erstrebenswerter halten wir es – auch wenn es weder die Norm noch die Realität wiedergibt. Das ist der sogenannte Mere-Exposure-Effekt [Link zu „Einflussfaktoren auf den Wandel körperlicher Schönheitsideale“].
Die Personen, die dem (aktuellen) Schönheitsideal entsprechen, werden dir medial am häufigsten kredenzt. Doch gerade in sozialen Medien hast auch du eine große Macht: Du kannst – bis zu einem gewissen Grad – selbst entscheiden, wie dein Feed aussehen soll. Deshalb folge dort body-positiven Menschen, die aussehen wie du und positive Vorbilder sind (→ Warum du dicke Heldinnen brauchst). Entfolge allen Accounts, die dir suggerieren, du seist nicht in Ordnung, so wie du bist – denn das sind schlichtweg Fake News.
Hinterfrage auch andere Medien, die du konsumierst, wie Zeitschriften, Bücher und Fernsehsendungen. Was geben sie dir für ein Gefühl? Bieten sie dir einen Mehrwert? Welchen Sinn hat eine Modezeitschrift für dich, die weder Kleidung an Frauen wie dir präsentiert noch Kleidung zeigt, die es in deiner Größe überhaupt gibt? Wie viel Body Shaming steckt in gängigen Fernsehformaten und was macht der kontinuierliche Konsum mit dir, wenn du den Mere-Exposure-Effekt im Hinterkopf behältst?
Wie mich body-positive Vorbilder verändert haben
Als ich damals die Plus-Size-Szene entdeckte, folgte ich zunächst Plus-Size-Fashion-Bloggerinnen (→ 7 inspirierende deutsche Plus-Size-Bloggerinnen). Plötzlich war mein Newsfeed nicht mehr dominiert vom schlanken Schönheitsideal, sondern zunehmend von Frauen mit den verschiedensten Körpertypen, mit denen ich mich deutlich besser identifizieren konnte. Sie erzählten mir nicht, wie mangelhaft ich wäre, sondern boten mir einen ersten positiven Blick auf Körper, die aussahen wie meiner.
Im Laufe der Zeit habe ich mehr und mehr body-positive Angebote gefunden. Ich habe aufgehört, Frauenzeitschriften zu konsumieren oder mir Castingshows – Body Shaming am laufenden Band – anzusehen. Darüber hinaus können wir mittlerweile ein größer werdendes Angebot an unterschiedlichen Körpertypen in den Medien genießen. Die weitestgehende Abkehr von dem einen Schönheitsideal hat mir bewusst gemacht, wie schön Vielfalt ist und wie schön auch ich bin.
Hier findest du body-positive Bücher, Filme und Medien:
2. Verlerne zu bewerten und zu vergleichen, um Body Positivity zu lernen
Nicht bewerten und nicht vergleichen – das ist in der Tat eine eine schwierige Aufgabe. Bewertung und Vergleich sind jedoch die Faktoren, die dich ganz konkret unglücklich machen. Sobald du bewertest und vergleichst, betreibst du regelmäßig Body Shaming – gegen andere, aber auch gegen dich selbst (→ Was Body Shaming bedeutet und was du dagegen tun kannst).
Dass du dich so verhältst, ist nicht deine Schuld, denn Bewerten und Vergleichen sind integrale Bestandteile unserer Gesellschaft (Diätkultur), in der ständig Abgrenzung und Abwertung betrieben werden. Dir wurde also nie beigebracht, andere und dich einfach sein zu lassen, wie sie sind. Dabei sind beide Verhaltensweisen ein maßgeblicher Grund, warum du dir mit Selbsthass begegnest.
Indem du vergleichst, ziehst du – wenn du ohnehin nur über ein geschwächtes Selbstwertgefühl verfügst – immer den Kürzeren (→ Selbstwertgefühl stärken bei Übergewicht – 3 Tipps). Dabei bist du bei den berühmten Äpfeln und Birnen, wenn du versuchst, dein komplettes Leben und Erleben mit einem Ausschnitt des Lebens einer anderen Person zu vergleichen.
Je weniger du bewertest, umso mehr Freiheit schenkst du dir selbst. Denn das bedeutet auch, dass du sein darfst, wie du bist. Beginne also damit, deine Bewertungen von anderen zu überdenken und zu reduzieren, und du wirst merken, dass auch du dich selbst weniger be- und abwertest (→ Wie du aufhörst, dich ständig beobachtet zu fühlen).
Wie ich verlernt habe zu bewerten und zu vergleichen
Als ich begann, mehr mehrgewichtigen Menschen in den sozialen Medien zu folgen, habe ich mich anfangs oft dabei ertappt, wie ich bewertete: „Wie kann eine so dicke Frau nur einen Bikini tragen?“ Doch war es wirklich meine Überzeugung, dass dicke Frauen keinen Bikinis tragen dürfen? Was für einen logischen Grund sollte es dafür geben?
War es nicht vielmehr so, dass mir mein Leben lang von Medien und Gesellschaft erzählt wurde, dass dicke Frauen sich verhüllen müssten – ohne mir jemals einen Grund dafür zu nennen außer Dickenhass? Je mehr ich mich medial mit dicken Frauen umgeben habe, desto weniger habe ich sie bewertet, weil sie mir einfach „normal“ erschienen. Ich habe mir den Mere-Exposure-Effekt zunutze gemacht, indem ich meine Sehgewohnheiten verändert habe. Mittlerweile sehe keinerlei „Makel“ mehr an dicken Körpern; sie sind gleichwertige Varianten von Körpern.
Auch dem Vergleich bin ich mit dieser Einstellung begegnet. Wann immer ich ein Gefühl von Neid verspürte, konnte ich mich für zwei Wege entscheiden. Entweder ich verurteile mich, weil ich nicht so toll bin wie diese andere Person. Oder ich erkunde, was genau mich eigentlich neidisch macht. Auf diese Weise kann ich die andere Person als Vorbild anerkennen.
Oder – und das kommt viel häufiger vor – ich merke, dass ich das, was mir ein Gefühl des Neids gibt, eigentlich gar nicht haben will. Es ist ein kaputtes System, das meint, nur ein schlanker Körper wäre ein wertvoller Körper, aber diese Überzeugung teile ich nicht (mehr). Ich bin zufrieden mit meinem dicken Körper, deshalb muss ich mich weder abwerten noch neidisch sein, wenn jemand anders einen anderen Körper hat (→ Ich will nicht abnehmen).
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3. Überprüfe deine Glaubenssätze, um Body Positivity zu lernen
Dass du denkst, du könntest nur glücklich sein, wenn du schlank bist, ist ein Glaubenssatz. Ebenso: Alle Dicken sind ungesund; Dicke finden keine Partner; Dicke sind unsportlich; Dicke sind hässlich; Dicke sind faul und haben keine Disziplin; Dicke sind selbst schuld, dass sie dick sind. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass du einiges davon auch über dich selbst denkst (Selbststigmatisierung).
Diese kollektiven Glaubenssätze sind im gesellschaftlichen Unterbewusstsein verankert. Sie werden immer wieder reproduziert, weil wir alle sie kontinuierlich wiederholen. Das Problem ist: Sie sind falsch. Die meisten dieser Glaubenssätze sind mittlerweile sogar wissenschaftlich widerlegt. Es gibt also Fakten, die zeigen, dass unsere bisherigen Überzeugungen falsch sind. Doch weil die Glaubenssätze derart tief im kollektiven Unterbewussten sitzen, haben sogar Fakten es schwer, sie zu lockern. Es kann einfach nicht sein, was nicht sein darf (Weight Bias).
Das Problematischste an unsere falschen Glaubenssätzen ist, dass sie von der fatalen Fehlannahme ausgehen, dass man vom Aussehen eines Menschen auf Dinge wie Gesundheitszustand oder Intelligenz, im weitesten Sinne auf seinen Wert schließen könnte. Und das hat schwerwiegende Folgen (→ Wie dicke Menschen systematisch entmenschlicht werden (Mampfschrift)).
Die Prämisse der Body Positivity hingegen ist, dass jeder Körper – und damit jeder Mensch – wertvoll ist. Indem du deine falschen Glaubenssätze erkennst, hinterfragst und auflöst, begibst du dich auf deine Reise zu Body Positivity und Selbstliebe (→ Body-positiv leben: Negative Glaubenssätze erkennen und auflösen).
Wie ich meine falschen Glaubenssätze aufgelöst habe
Meine eigenen fehlerhaften Glaubenssätze habe ich aufgelöst – und löse ich fortwährend auf -, indem ich alles hinterfrage. Nur weil du etwas denkst, muss es noch lange nicht wahr sein. Das beginnt bei der Vorstellung, dass dicke Frauen keinen Bikini tragen dürften, und endet bei der Überprüfung durch Fakten. Viele „gefühlte Wahrheiten“ rund um Gewicht sind längst ausdifferenziert oder widerlegt.
Auch in diesem Bereich gilt also: Wissen ist Macht. Im Laufe der Jahre habe ich viele meiner eigenen Überzeugungen hinterfragt und aufgegeben. Darüber hinaus habe ich unzählige Studien zu Gewicht, Gesundheit, Body Positivity und Gewichtsdiskriminierung gelesen. Mein Wissen teile ich hier bei Marshmallow Mädchen, um dir zu zeigen, dass auch du Body Positivity lernen kannst. Ich lade dich ein, von diesem Wissen und meiner jahrelangen Beschäftigung mit Body Positivity zu profitieren.
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