Wenn ich von Body Positivity und Selbstliebe spreche, dann meine ich damit einen freundlichen und vor allem bedürfnisorientierten Umgang mit sich selbst und seinem Körper. Doch wie kannst du es schaffen, dich mit einem positiven Blick zu sehen und dich danach zu richten, was du wirklich willst und brauchst? Die Antwort ist kurz und lang zugleich: Sei lieb zu dir!

Sei lieb zu dir – vor allem wenn du es nicht verdient hast
Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft, deren Optimierungswahn extremen Druck kreiert. Die Leistungsideale sind mittlerweile so fern jeder realen Machbarkeit, dass wir sie längst nicht mehr erreichen können. In der Folge fühlen wir uns ständig als Versager.
Deshalb „gönnen“ wir uns auch ungerne etwas. Die To-do-Liste ist schließlich wieder mal nicht abgearbeitet. Ich habe es nicht geschafft, nur „Gesundes“ zu essen. Ich gehe nicht dreimal in der Woche zum Sport, wie man es doch sollte. Ich sehe nicht immer tipp-topp aus, wie es doch alle auf Instagram tun. Ich muss mich nur noch mehr anstrengen, noch früher aufstehen, meine Zeit noch besser managen…
Die Frage ist: Willst du das überhaupt alles wirklich? Bist du bereit, so große Opfer – nicht weniger als dein eigenes Leben nämlich – zu bringen, um die Erwartungen… ja, von wem eigentlich… zu erfüllen?
Es ist oftmals nicht leicht, diesen tiefsitzenden Drang, immer perfekt sein zu müssen, der uns von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, zu überwinden (→ Body-positiv leben: Negative Glaubenssätze erkennen und auflösen). Eine Möglichkeit ist: Sei radikal lieb zu dir! Sei vor allem dann lieb zu dir, wenn es dir besonders widerstrebt, weil du glaubst, es nicht „verdient“ zu haben. Gönn dir genau in diesen Momenten etwas. Denn die Wahrheit ist: Du hast getan, was dir heute möglich war und das ist vollkommen in Ordnung (→ Mehr Selbstliebe durch Selfcare).
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Sei dein eigener Standard
Wir neigen dazu, uns permanent mit anderen zu vergleichen – und meist schneiden wir dabei schlecht ab. Nicht weil wir „schlechter“ sind, sondern weil wir uns immer nur mit einem Ausschnitt vergleichen. Ein gutes Beispiel sind die Sozialen Medien. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die (vor allem passive) Nutzung sozialer Netzwerke uns einsam und unglücklich macht, zu einer negativen Körperwahrnehmung und zu depressiven Verstimmungen führt.¹ ² ³

Wir vergleichen uns mit bis zur Unkenntlichkeit bearbeiteten Bildern, mit Imagekampagnen von Firmen, mit gestellten Momentaufnahmen und in jedem Fall mit einer Person, die ins beste Licht gerückt wurde. Aber all das ist nicht geeignet für einen Vergleich.
Vor allem deshalb, weil du dein eigener Standard bist (→ Sei dein eigener Standard). Du bist einzigartig, mit einzigartigen Eigenschaften und Talenten. Es ist vollkommen unerheblich, wie beispielsweise ein Kleidungsstück an einer anderen Person aussieht. Das einzige, das zählt, ist, wie du dich damit fühlst. Es ist für dich vollkommen unwichtig, ob jemand anders schneller rennen oder sich mehr verbiegen kann. Der einzige Standard, an dem du dich messen solltest, bist du selbst.
Denn nur auf diese Weise lernst du, was du willst und brauchst.
Sei deine beste Freundin
Hörst du dir manchmal zu, wenn du mit dir selbst redest? Wie fett und hässlich du bist, wie wertlos, wie undiszipliniert und dumm? (→ Was ist Body Shaming?)
Würdest du so mit einem anderen Menschen sprechen? Würdest du diese Dinge etwa zu deiner besten Freundin sagen? Vermutlich nicht. Denn es ist gehässig, einseitig und überhaupt nicht hilfreich, es macht sie traurig und niedergeschlagen. Wahrscheinlich würde sie – zu Recht – nicht mehr deine Freundin sein wollen.
Warum redest du also mit dir selbst auf diese abwertende Weise? Denkt man bewusst darüber nach, merkt man, wie schizophren es ist, dass man mit sich selbst wesentlich schlechter umgeht als mit anderen Menschen. Denn letztlich bist du 24 Stunden am Tag mit dir zusammen, dein ganzes Leben lang. Wäre es da nicht sinnvoller, auf ein gutes Nachbarschaftsverhältnis und einen freundlichen Ton zu achten?[
Solltest du also wieder in Versuchung geraten, dich selbst niedermachen zu wollen, dann überleg dir, was du in dieser Situation zu deiner besten Freundin sagen würdest. Sei für dich selbst deine beste Freundin – denn die Beziehung zu dir selbst ist die wichtigste und längste deines Lebens.
Vergib dir alles
Wie oft hattest du schon ein schlechtes Gewissen nach dem Essen? Weil du Süßes oder anderes „Ungesundes“ gegessen hast, weil du zu viel gegessen hast, dich gar gefühlt „übergessen“ hast? Wenn du bist, wie ich es einmal war (→ Wie ich lernte, dick und selbstbewusst zu sein), dann kommt das oft vor, beinahe täglich. Und was hat dir dieses schlechte Gewissen gebracht? Nichts. Es verhindert nicht, dass du dich wieder überisst. Im Gegenteil: Es befördert dich in einen Teufelskreis aus schlechtem Gewissen, Essen aus Trost oder weil „jetzt eh schon alles egal ist“ und wieder schlechtem Gewissen.

Einen solchen Teufelskreis kannst du durchbrechen, indem du dir kein schlechtes Gewissen mehr machst. Vergib dir alles – konsequent! Denn für all deine Handlungen gibt es gute Gründe (→ Alle Gefühle sind okay – Wie du mit negativen Gefühlen umgehen kannst). Dein Körper und deine Seele wollen dich beschützen und haben gelernt, auf Reize auf eine bestimmte Art und Weise zu reagieren. Auch dein innerer Schweinehund ist eigentlich nur dazu da, dich vor Überlastungen zu schützen.
In dem Moment, in dem du aufhörst, gegen dich selbst zu kämpfen, schenkst du dir ein neues Lebensgefühl. Denn plötzlich bist du nicht mehr dein Feind. Die so freiwerdende Energie kannst du nutzen, um dein Verhalten zu untersuchen, um Muster ohne Verbissenheit aufzulösen und den Ursachen liebevoll auf den Grund zu gehen, anstatt vergeblich gegen die Symptome zu kämpfen.
Titelfoto: Graphic Stock (lizenziert)