Was ist die Wurzel aller Selbstzweifel? Der Vergleich. Das Gefühl, dass überall woanders das Gras viel grüner ist. Tatsächlich ist das Gras aber dort am grünsten, wo der Rasen gehegt und gepflegt wird und der Gärtner seine Zeit nicht damit vergeudet, neidisch über Nachbars Gartenzaun zu linsen.
Standest du auch schon einmal vor dem Spiegel und hast dich darüber geärgert, dass ein Kleidungsstück nicht so sitzt wie bei dem Model im Katalog?
Es gibt viele schöne Gärten auf der Welt. Aber nicht überall wachsen dieselben Pflanzen. Das Klima und die Bodenbeschaffenheit spielen eine Rolle dabei, was wo gedeiht. Aber ist ein mitteleuropäischer Garten hässlicher oder unvollkommener, weil darin keine Olivenbäume wachsen können? Wenn man einen Garten schon unbedingt bewerten muss, dann sollte man ihn daran messen, was in ihm überhaupt möglich ist. Der Garten setzt seinen eigenen Standard.
Kleidung ist Massenware, du bist ein Einzelstück
Zurück zum Spiegel: Natürlich sitzt das Kleidungsstück nicht wie beim Katalogmodel. Auch an deiner besten Freundin sähe es anders aus oder an jeder anderen Person. Kleidung aus dem Katalog ist Massenware, du bist ein Einzelstück.
Trotzdem wirst du vermutlich frustriert sein, weil deine Taille nicht wie durch Zauberhand auf die Maße des Katalogmodels geschrumpft ist, obwohl du doch das gleiche Kleid trägst. Du behältst das Stück also und bist unzufrieden oder du gibst es zurück und bist unzufrieden. Ist jetzt beides nicht so erstrebenswert.
Vergleich ist der Feind des Selbst
Dabei vergisst du das Wichtigste: Wie siehst du in dem Kleidungsstück aus? Unabhängig davon, wie jeder andere sich darin machen würde. Hast du bei deiner gnadenlosen Bewertung vor dem Spiegel daran gedacht, dich zu betrachten und nicht das Model aus dem Katalog oder eine andere Frau, an der du das Kleidungsstück gesehen hast? War in deinem Kopf nicht schon vor dem Anziehen ein bestimmtes Bild entstanden, das mehr vom Körper der Katalogfrau in fraglichem Kleidungsstück geprägt war, als von deinem eigenen?
Unsere Gesellschaft erwartet von uns den Vergleich und produziert damit eine ständige latente Unzufriedenheit, die immer nach mehr, höher, besser, schneller, weiter schreit. Glücklich sind nur die, die zufrieden sind mit dem, was sie haben. Das heißt nicht, dass sie sich nicht ändern, dass sie nicht mehren. Aber sie gehen dabei von ihrem eigenen Standpunkt aus. Sie sind ihr eigener Standard. Und seinen eigenen Standard kann man immer wieder verbessern, wenn man denn möchte.
Es bringt nichts, von Supermodelmaßen zu träumen, wenn du eben auch heute Kleidung brauchst. Aber: Du kannst Kleidung wählen, die dir schmeichelt, die an dir gut aussieht, in der du dich wohlfühlst.
Sei dein eigener Standard
Lerne also, dich als deinen eigenen Standard zu akzeptieren. Wenn du einen Bauch hast, wird kein Kleidungsstück der Welt ihn verschwinden lassen, aber das heißt doch nicht, dass du nicht trotzdem glänzend aussehen kannst. Du kannst mit dem Kleidungsstück besser aussehen als ohne es. Aber das kannst du nur erkennen, wenn du von dir ausgehst und nicht von irgendjemand anderem.
Ein Garten kann nur hervorbringen, was Klima und Bodenbeschaffenheit zulassen. Wachsen tut es nur, wenn es gepflegt wird. Man kann düngen, um die Bodenqualität zu verbessern. Dann können neue Pflanzen dort wachsen und das Erscheinungsbild des Gartens ändert sich. Die meiste Zeit aber sollte man nicht mit der Optimierung und Vergrünerung des Rasens verbringen, sondern damit, sich zurückzulehnen und den Garten zu genießen.
Titelfoto: Life of Pix (CC0)