Was genau Body Positivity bedeutet, ist vielen nicht klar. Den eigenen Körper lieben? Dicke Menschen schön finden müssen? Erfahre in diesem Artikel, was Body Positivity wirklich ist und warum du sie brauchst.
Definition von Body Positivity
Body Positivity bedeutet, jedem Körper mit Respekt zu begegnen. Grundlage dafür ist die Erkenntnis, dass alle Körper gleich wertvoll sind. Von Körperformen können wir nicht auf den Charakter eines Menschen schließen.
Body Positivity wirkt auf zwei Ebenen: der persönlichen (individuell) und der gesellschaftlichen (systemisch). Diese Wirkebenen greifen natürlich ineinander. Um zu verstehen, was Body Positivity bzw. ihr Fehlen in unserer Lebensrealität bedeutet, ist es hilfreich, die Ebenen getrennt voneinander zu betrachten.
Die zwei Ebenen der Body Positivity
Für dich persönlich manifestiert sich Body Positivity in erster Linie dadurch, dass du freundlich und bedürfnisorientiert mit deinem eigenen Körper umgehst. Du akzeptierst ihn genau so, wie er gerade ist – das schließt alle seine Veränderungen mit ein. Body Positivity ermutigt dich dazu, deinen Körper mit einem positiven Blick zu betrachten, mit ihm ins Reine zu kommen und Frieden zu schließen.
Für uns als Gesellschaft zeigt sich Body Positivity, indem wir Menschen aufgrund ihrer Körperform weder besser noch schlechter behandeln. Alle Körper sind gute Körper. Und alle Menschen sind gleich wertvoll. Wir werten Körper weder auf noch ab (Body Shaming) und diskriminieren Menschen nicht aufgrund körperlicher Merkmale.
Warum ist Body Positivity wichtig?
Body Positivity ist relevant, weil wir derzeit genau das nicht tun: Weder sind wir respektvoll gegenüber den Körpern anderer noch gehen wir freundlich mit unseren eigenen um. Wir maßen uns an, Menschen aufgrund ihrer Körperform einen gesellschaftlichen Wert zuzuschreiben: Schlanke Menschen sind attraktiv, erfolgreich und dynamisch; dicke Menschen sind hässlich, faul, verfressen und krank. Das denken wir über andere, aber auch über uns selbst.
Dieses Verhalten ist in der Diätkultur begründet, in der wir leben. Unsere auf das einzige westliche Schönheitsideal – schlank, jung, makellos und weiß – fixierte Gesellschaft lebt nach dem Credo: Nur wer schön ist – im gesellschaftlich akzeptierten Sinne -, ist auch wertvoll (→ Warum wir das Schönheitsideal überwinden müssen).
Dahinter steht ein Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das über Jahrtausende gewachsen ist, sein Gedankengut immer wieder selbst reproduziert, und beeinflusst, wie wir die Welt sehen. Die körperzentrierte Gesellschaft tut alles, um dem diskriminierenden Schönheitsideal zu entsprechen – auch wenn es unerreichbar ist, auch wenn wir dafür unsere körperliche und seelische Gesundheit ruinieren (→ Wie Diäten dich dick und krank machen). Body Positivity ist die notwendige Gegenbewegung.
Body Positivity ist bedingungslos
Body Positivity wird oft mit dicken Menschen in Verbindung gebracht. Vor allem Plus-Size-Bloggerinnen haben diesen Begriff bekannt gemacht (→ 7 inspirierende deutsche Plus-Size-Bloggerinnen). Tatsächlich geht Body Positivity aus der Fettenrechtsbewegung der 70er Jahre in den USA hervor.
Das bedeutet jedoch nicht, dass das Konzept nur Mehrgewichtige einschließt. Body Positivity macht sich ausdrücklich für alle Körper stark, für Diversität und soziale Gerechtigkeit. Denn alle Körper verdienen Respekt: dicke Körper, alte Körper, behinderte Körper, nicht-weiße Körper, nicht-heteronormative Körper – alle Körper.
Body Positivity ist intersektional. Marshmallow Mädchen ist spezialisiert auf dicke Frauenkörper und ihre spezifischen Herausforderungen in der Diätkultur, weshalb meine Arbeit die Schwerpunkte an diesen Stellen setzen.
Ist Body Positivity nur für dicke Menschen?
Auf der individuellen Ebene leiden wir alle unter der Diätkultur. Wir können unsere Körper nicht annehmen, weil sie dem unrealistischen Schönheitsideal niemals genug sind. Schlimm genug. Systemisch betrachtet macht es jedoch einen großen Unterschied, ob du einen schlanken oder dicken Körper hast.
Während es gesetzlich verboten – und gesellschaftlich verpönt – ist, Menschen aufgrund einer Behinderung, wegen des Alters, der Hautfarbe oder des Geschlechts zu diskriminieren, gibt es keinen Paragrafen, der explizit dicke Menschen vor Diskriminierung schützt. Sie werden jedoch systematisch in fast allen Lebensbereichen diskriminiert und abgewertet (→ Wo sind all die Dicken hin? | Übergewicht im öffentlichen Raum). Weil sie kaum rechtliche odder gesellschaftliche Unterstützung erfahren, ist eine dickenfreundliche Bewegung für sie umso essenzieller.
Missverständnisse über Body Positivity
Wenn du Body Positivity googelst, wirst du immer wieder auf zwei Begriffe stoßen: Schönheit und Liebe. Doch für Body Positivity geht um Respekt, Akzeptanz, Freundlichkeit und Bedürfnisse – Schönheit oder Liebe kommen in der Definition nicht vor.
Body Positivity verlangt von dir weder dich und andere schön zu finden noch deinen oder andere Körper zu lieben. Du darfst dich natürlich schön finden und deinen Körper lieben, aber das ist nicht Voraussetzung, um body-positiv zu sein (→ Was Body Positivity nicht ist).
Warum aber findest du Body Positivity dann immer wieder mit diesen zwei Begriffen assoziiert? Weil die Diätkultur Body Positivity kapert. Das System, das von deiner Körperunsicherheit profitiert, gaukelt dir vor, es ginge es um Körperliebe und Schönheit. Denn dafür gibt es auch gleich die richtigen Produkte (Diät, Fitnessstudio, OP…).
Ein weiterer negativer Nebeneffekt ist, dass diese gekaperte Definition auf viele Menschen abschreckend wirkt. Die „falsche Body Positivity“ ist auch nur wieder ein unerreichbares Ideal. Deshalb sind neue Termini wie Body Neutrality entstanden, um deutlich zu kennzeichnen, worum es tatsächlich geht (→ Was ist Body Neutrality? – Eine Definition).
(Falsche) Kritik an Body Positivity
Kritiker_innen, die dem Konzept der Body Positivity nichts abgewinnen können – oder vielmehr: wollen -, werfen ihr vor, einen „ungesunden Lebensstil“ und „krankhaftes Übergewicht“ zu propagieren. Dabei ist Body Positivity womöglich das Gesündeste, das du dir jemals antun kannst: Sie nimmt dich ganzheitlich wahr – deine körperliche und deine mentale Gesundheit. Sie befreit dich aus dem Teufelskreis von Selbsthass und körperschädigendem Verhalten. Weder schreibt sie dir einen bestimmten Lebensstil noch einen bestimmten Gesundheitszustand vor (→ Glorifiziert Body Positivity Übergewicht?).
Auch ist Body Positivity nicht der „leichte Weg“ für dicke Menschen, die aufgegeben haben. Im Gegenteil: Eine körperpositive Einstellung in einer körpernegativen Welt zu kultivieren, ist eine enorme Leistung. Body Positivity ist eine Revolution gegen ein uns alle krank machendes System (→ Ist Body Positivity nicht zu… positiv?). Ist es nicht vielmehr der einfache Weg, alles zu machen, nur um von einer oberflächlichen Gesellschaft etwas weniger diskriminiert zu werden?
Eine weitere Kritik, die an Body Positivity geübt wird, ist, dass das Konzept selbst auf Körper (Body) fokussiert ist. Will Body Postivity nicht die gesellschaftliche Körperzentriertheit überwinden? Ja, letztendlich schon. Das funktioniert aber nur, indem wir so lange über Körper reden, bis wir endlich nicht mehr über Körper reden müssen (→ Das Paradoxon der Body Positivity).
Wie du Body Positivity erlernst
Es gibt keinen allgemeingültigen Fahrplan, wie du eine körperpositive Einstellung erreichst. Body Positivity ist eben nicht wie eine Diät, die dich in ein Korsett presst, das dir nicht passt, sondern ein Idee, die dir die Tür öffnet, um endlich sein zu dürfen.
Es gibt einige grundlegende Ansätze, die dir dabei helfen, deine ersten Schritte in ein body-positives Leben zu wagen: Sehgewohnheiten und Medienkonsum ändern, alte Glaubenssätze auflösen sowie das eigene Bewertungssystem überprüfen (→ Body Positivity lernen: Body-positiv in 3 Schritten). Der Weg vom Körperhass zur Body Positivity ist ein Prozess. Marshmallow Mädchen unterstützt dich auf deiner Reise zu Body Positivity mit Information, Inspiration und einer body-positiven Community.
War das hilfreich?
Wenn du meine Arbeit schätzt, kannst du mich mit einem einmaligen Dankeschön oder als Super-Marshmallow unterstützen. Als Dankeschön liest du neue spannende Artikel als Erste, bekommst die revolutionären Marshmallow Mampfschriften und exklusive Q&As. Klick hier für mehr Infos >
Titelfoto: Body Liberation Photos
Beitragsbild 1: Lana Soosar
Beitragsbild 2: Death To Stock
Beitragsbild 3: Monika Kozub
Beitragsbild 4: Jakob Owens
Beitragsbild 5: Death To Stock