Haderst du mit Body Positivity, weil sie dir zu positiv ist? Findest du den Gedanken utopisch, deinen Körper jemals zu lieben? Dann lies hier, wie du Body Positivity für dich umsetzen kannst und warum es sogar essenziell ist, dass Body Positivity positiv ist.
Falsche Kritik an falscher Body Positivity
Über das Konzept der Body Positivity sind eine Menge Fehlannahmen in Umlauf. Diese resultieren einerseits aus Missverständnissen in der Definition (→ Was ist Body Positivity? – Eine Definition). Andererseits wird Body Positivity medial – sowohl von der Presse und Influencerinnen als auch von Unternehmen – weichgespült.
Das größte Missverständnis entsteht, wenn der thematische Schwerpunkt der Body Positivity auf Positivity (Positivität), nicht auf Body (Körper) gelegt wird. Body Positivity hat ihren Ursprung in der hauptsächlich von Frauen getragenen Fettenrechtsbewegung der 70er Jahre in den USA. Es ist ein körperpolitisches Konzept, keine Wohlfühlmarke (→ Body Positivity ist nicht Selbstliebe).
Zu dieser wurde sie jedoch mehr und mehr in der medialen Berichterstattung. Plötzlich steht Body Positivity dafür, sich schön zu finden, den eigenen Körper zu lieben (→ Was Body Positivity nicht ist). Das ist sicherlich auch der Vermarktbarkeit geschuldet: Mit einer solchen „Body Positivity Light“ lässt sich mehr Profit machen.
Was Body Positivity wirklich ist
Body Positivity in vier Wörtern: Respekt für alle Körper. Um das zu erreichen, ist es essenziell, das Aussehen eines Menschen von seinem Wert als Mensch zu trennen – weil beides nichts miteinander zu tun hat. Dennoch werden in unserer körperzentrierten Gesellschaft (Lookism) dicke – behinderte, alte, nicht weiße etc. – Menschen als weniger wertvoll wahrgenommen. Das gilt dann als Legitimation für Diskriminierung und Body Shaming (→ 5 Gründe, warum wir mit Body Shaming aufhören müssen).
Der Body Positivity geht es nicht darum, Körper zu glorifizieren (→ Glorifiziert Body Positivity Übergewicht?). Es geht nicht einmal darum, sie zu lieben. Body Positivity bedeutet, Körper zu respektieren und zu akzeptieren.
In Abgrenzung zur medialen Weichspülung der Body Positivity hat sich deshalb der Terminus Body Neutrality etabliert (→ Was ist Body Neutrality? – Eine Definition). Sprachlich wird hier der Fokus von der „Positivität“ weggelenkt. Dennoch verfolgen Body Positivity und Body Neutrality dasselbe Ziel: dass Körper respektiert und letztendlich „egal“ werden (→ Das Paradoxon der Body Positivity).
Für Body Positivity gibt es eine Menge Synonyme und verwandte Konzepte: Body Respect, Body Acceptance, Selbstliebe, Fat Acceptance, Fat Liberation. Man könnte also Body Positivity durch ein weniger positives Wort oder eines mit anderer Gewichtung ersetzen. Doch die „Positivität“ in Body Positivity ist die eigentliche Revolution. Um das zu verstehen, sollten wir die Wirkung der Body Positivity auf zwei Ebenen betrachten: auf der individuellen und der gesellschaftlichen.
Die individuelle Ebene der Body Positivity
Was bedeutet Body Positivity für dich persönlich? Ziel deiner persönlichen Reise zu Body Positivity ist, deinen Körper zu respektieren und zu akzeptieren (→ Body Positivity lernen: Body-positiv in 3 Schritten). Du erlernst einen freundlichen und bedürfnisorientierten Umgang mit ihm. Dafür musst du deinen Körper nicht zwingendermaßen schön finden oder ihn lieben (→ Wenn du deinen Körper nicht lieben kannst).
Ein Leben lang wurde dir von allen Seiten suggeriert, dein (dicker) Körper wäre mangelhaft und du deshalb weniger wert. Wenn du in dieser feindlichen Umgebung einen Waffenstillstand (Body Neutrality) mit deinem Körper aushandeln kannst, ist das eine enorme Errungenschaft. Denn so schadest du deinem Körper und deiner Seele nicht weiter mit Selbsthass, Selbststigmatisierung und Diätkultur. Das ist fantastisch! Das ist ein lohnenswertes Ziel! Go for it!
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Doch warum ist es für viele von uns überhaupt so unvorstellbar, warum ist es sogar verpönt, den eigenen Körper positiv zu bewerten oder gar zu lieben? Damit kommen wir zur zweiten Ebene der Body Positivity.
Die gesellschaftliche Ebene der Body Positivity
Warum eigentlich sollte es uns (dicken) Frauen – und allen anderen, die von Body Shaming betroffen sind – reichen, unsere Körper „nur“ okay zu finden, „nur“ einen Waffenstillstand zu erreichen? Frauen haben die kulturelle Erlaubnis, sich zu kritisieren, und zwar so weit, dass wir unsere Gesundheit gefährden (→ Warum Abnehmen dich dein Leben kostet). Aber wenn wir unsere Körper wohlwollend betrachten, werden wir gescholten und bestraft.
Wir sehen hier das Ergebnis von zweitausend Jahren Patriarchat. Wir wurden dahingehend konditioniert, uns ausschließlich mit unserem Aussehen zu beschäftigen, um einem diktierten, wechselhaften Schönheitsideal zu entsprechen (→ Warum wir das Schönheitsideal überwinden müssen). Auf diese Weise bleiben wir hinter unseren Möglichkeiten zurück, sabotieren unser eigenes Selbstbewusstsein und sind leicht lenkbar.
Ein ganzes System profitiert davon, dass du deinen Körper für unzulänglich hältst. Mehrere Industriezweige würden über Nacht bankrott gehen, wenn alle Frauen ihre Körper plötzlich akzeptieren würden. Den wachsenden Druck spürt das System und reagiert: Es lockert die Zügel und erlaubt dir, deinen Körper in gewissen Grenzen okay zu finden. Damit kann es dir nicht nur Diäten und Anti-Falten-Cremes verkaufen, sondern suggeriert dir zusätzlich, dass es deine eigene Schuld wäre, diese Produkte überhaupt zu brauchen.
Warum es wichtig ist, dass Body Positivity positiv ist
Ist Body Positivity zu positiv? Ganz und gar nicht. Die Positivity ist die eigentliche Revolution in der Body Positivity. Denn nur Menschen, die ihre Körper bedingungslos annehmen, können das schädliche System zerstören. Das große Ziel ist, die gesellschaftliche Körperzentriertheit zu überwinden (→ Warum wir das Schönheitsideal überwinden müssen).
Dieses Ziel erreichen wir nicht durch Passivität und Neutralität, auch wenn Body Neutrality auf individueller Ebene ein riesiger Schritt ist. Wir müssen „Schönheitsprodukte“ nicht nur heimlich kaufen, sondern lauthals ablehnen. Frauen müssen Raum einnehmen und ein kompromissloses Selbstverständnis für ihre Existenz erlangen, das Männern schon lange innewohnt.
Gerade deshalb ist es wichtig zu trennen, was du für dich selbst im bestehenden System erreichen kannst und was Body Positivity auf gesellschaftlicher Ebene verändern kann. Ich selbst bin auch in diesem System aufgewachsen und kann mich davon nicht ganz frei machen (→ Wie ich lernte, dick und selbstbewusst zu sein). Doch was wir an Veränderung in uns selbst herbeiführen, können wir an andere weitergeben – und letztlich an die nächste Generation, die wiederum weitere Veränderungen anstoßen wird (→ Fette Frauen, vereinigt euch!).
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Titelfoto: Alyssa Baches
Beitragsbild 1: Lana Soosar
Beitragsbild 2: Leonhard Schönstein
Beitragbild 3: Gemma Chua-Tran