Die lautesten Fat Shamer sind fette Frauen – das wird vor allem bei Body-Shaming-Kommentaren in den Sozialen Netzwerken deutlich. Doch damit sperren sich dicke Frauen selbst in ein Gefängnis aus Regeln ein, die eigentlich gar nicht existieren. Reißt die Gefängnismauern nieder! Fette Frauen, vereinigt euch!
Body-Shaming-Kommentare in den Sozialen Medien
Body Shaming findet auf vielfältige Weise statt (→ Was ist Body Shaming?). Gehäuft und am sichtbarsten tritt es in den Sozialen Medien auf. Facebook, Instagram und Co. haben zahlreiche nachgewiesene negative Effekte, vor allem für Frauen. Die Sozialen Netzwerke verstärken gesellschaftliche Idealvorstellungen und haben damit Einfluss auf das Selbstverständnis und das Selbstwertgefühl [Link zu „Die Auswirkung der Nutzung Sozialer Medien auf das Körperbild und Essverhalten junger Frauen“].
Nun könnte man meinen, dass es vor allem schlanke Menschen sind, die dicke Menschen im Internet bodyshamen. Aber ein anderes Phänomen tritt in den Vordergrund: Oftmals kommen Body-Shaming-Kommentare über dicke Frauen von anderen dicken Frauen. Zeigt sich eine mehrgewichtige Frau abseits des gesellschaftlichen Ideals – zum Beispiel in einem Bikini oder enger Kleidung -, finden sich unter den negativen Kommentaren zahlreiche von Frauen eines ähnlichen Körpertyps. Sobald beispielsweise Plus-Size-Modelabels auf ihren sozialen Kanälen – Seiten, auf denen in der Regel in der Mehrzahl dicke Frauen unterwegs sind – Fotos von Models und Bloggerinnen teilen, die Outfits präsentieren, weht in den Kommentarspalten ein eiskalter Wind.
Dabei fallen drei Arten von Kommentatorinnen besonders auf, die letztlich eines eint: Sie sitzen im Gefängnis (→ Gefängnis der Schönheitsideale).
Die Beleidigerinnen unter den Body-Shaming-Kommentaren
Die Beleidigerinnen haben in ihren Kommentaren nie etwas Konstruktives zu sagen:
- „Schrecklich!“
- “Unvorteilhaft!“
- “Presswurst!“
Dabei vergessen sie allzu gerne, dass hinter jedem Bild ein Mensch steckt; und im Falle dicker Frauen: ein Mensch, für den der Auftritt in der Öffentlichkeit oft ein hart erkämpftes Gut ist (→ Wo sind all die Dicken hin? | Übergewicht im öffentlichen Raum).
Es gibt tausend Wege, eine Meinung kundzutun, aber die Beleidigerin wählt die verletzendste. Sie tut dies mit Selbstverständlichkeit. Denn die Gesellschaft steht mit ihren Idealbildern hinter ihr und „erlaubt“ es, Dicke zu diskriminieren. Womöglich reproduziert sie auch nur das, was ihr selbst ein Leben lang eingeimpft wurde, wenn sie an die Grenzen des gesellschaftlich Erlaubten für Dicke gestoßen ist.
Sie zeigt damit auf, dass sie in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen ist. Und macht sich gleichzeitig zum Instrument des Systems, das ihr eigenes Gefängnis aufrechterhält.
Die Modepolizistinnen unter den Body-Shaming-Kommentaren
Die Modepolizistinnen setzen Recht und Ordnung im Internet durch. Sie sind selten offen beleidigend in ihren Body-Shaming-Kommentaren, sondern wiederholen gesellschaftliche Glaubenssätze wortwörtlich und gebetsmühlenartig:
- „Ab einer bestimmten Größe darf man so etwas nicht mehr tragen.“
- “Querstreifen machen dick.“
- “Dicke dürfen nicht bauchfrei gehen. Bäuche gehören versteckt.“
Die Modepolizistinnen stützen sich auf Regeln, die es nicht gibt. Aber sie zeigen uns eindrücklich, dass Glaubenssätze sich wie Gesetze in unseren Gehirnen manifestieren. Es gibt keinen rationalen Grund, keine Nachgewiesenheit des Wahrheitsgehalts, doch mit genügender Wiederholung erkennen wir sie als „Wahrheit“ an. Einfach weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
So sind auch Modepolizistinnen eingesperrt. Und jede dicke Frau, die gegen die Regeln verstößt, wollen sie wieder einfangen und einsperren. Denn wo kämen wir denn hin, wenn wir unsere Glaubenssätze hinterfragten?
Ja, wo kämen wir dann hin? (→ Body-positiv leben: Negative Glaubenssätze erkennen und auflösen)
Die Gefangenen unter den Body-Shaming-Kommentaren
Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen andere Menschen bodyshamen (→ 5 Gründe, warum wir mit Body Shaming aufhören müssen). Bei dicken Fat Shamerinnen fällt vor allem auf, dass sie selbst eingesperrt sind und es dehalb nur schwer ertragen können, wenn andere dicke Frauen das mentale Gefängnis ohne negative Konsequenzen verlassen. Eine Gruppe von Body-Shaming-Kommentaren zeigt die persönliche Gefangenschaft besonders deutlich auf:
- „Mit deiner Figur würde mich ja nicht trauen, das zu tragen.“
- “Ich würde so etwas nie anziehen.“
Ist es nicht ironisch, dass die Gefangene ihr eigentliches Problem so deutlich ausdrücken kann, ohne es zu bemerken? Stattdessen leitet sie aus einem „Ich würde das nicht tun“ ein „Deshalb darf es auch keine andere tun“ ab. Sie macht ihr eigenes Gefängnis zum Gefängnis anderer.
Fette Frauen, vereinigt euch!
Und jetzt Hand aufs Herz: Gehörst du zu einer dieser Gruppen von Body Shamerinnen? Das wäre beileibe nichts Ungewöhnliches oder Überraschendes. Wir alle sind schließlich auf diese Weise sozialisiert. In unseren Gehirnen haben sich die Glaubenssätze, die uns immer wieder über dicke Menschen eingetrichtert werden, tief verankert.
Die Frage ist: Was machst du aus dieser Erkenntnis? Jeder sinnlose Kommentar über andere dicke Frauen reproduziert diese Sozialisation wieder und wieder. Mit jedem Body-Shaming-Kommentar verfestigst du die Gefängnismauern (→ Was Body Shaming bedeutet und was du dagegen tun kannst). Du sperrst andere Frauen ein. Und damit sperrst du auch immer dich selbst ein.
Was kannst du also stattdessen tun? Unterstütze andere Frauen, wenn sie Entscheidungen treffen, die außerhalb der „Gesetze für Dicke“ liegen. Nicht unbedingt, weil du die Entscheidung so toll findest, sondern weil du es feiern solltest, dass eine Gefängnismauer eingerissen wird (→ Warum du dicke Heldinnen brauchst). Denn diese Grenze fällt auch für dich. Willst du frei, glücklich und selbstbewusst sein? Dann unterstütze andere darin, frei, glücklich und selbstbewusst zu sein! Und wenn du sie nicht unterstützen kannst, leg ihnen wenigstens keine Steine in den Weg (→ Body Positivity lernen: Body-positiv in 3 Schritten).
Erfahre hier mehr über → Body Shaming und seine Folgen
Titelfoto: Body Liberation Photos
Beitragsbild: Mitchel Lensink on Unsplash