Als übergewichtiger Mensch sieht man sich Anfeindungen gegenüber, sogenanntem Fat-Shaming. Das passiert nicht nur, wenn man solche normalen Dinge tut, wie einen Badeanzug zu tragen oder ein Eis zu essen. Nein, es kann einen auch erwischen, wenn man etwas noch Normaleres tut, zum Beispiel die Straße entlanggehen. Die Anonymität des Internets hat die Hemmschwelle weiter gesenkt.
Ich möchte behaupten, dass jedem, wirklich jedem auch nur bedingt übergewichtigen Menschen in seinem Leben mindestens schon einmal eine Beleidigung an den Kopf geschmissen wurde, die mit seinem Gewicht zu tun hatte. Die meisten wird es schon in der Schule erwischt haben – Kinder sind so grausam, sagt man -, viele bekommen aber auch als Erwachsene mehr als nur ihr Fett weg.
Dabei wird ein Gegenüber nicht nur übergriffig, wenn eine Auseinandersetzung vorangegangen ist, in der Hitze des Gefechts sozusagen, sondern auch einfach mal so. Sogar wenn es eigentlich kein Gegenüber gegeben hat und man plötzlich von hinten aus einem vorbeifahrenden Auto als „fette Kuh“ beschimpft wird.
Jeder Dicke wurde schon einmal beleidigt
Es gibt viele Dicke, die davon berichten, wie sie angepöbelt werden oder wie man in Hörweite über sie lästert. Nun kann man all die guten Ratschläge anbringen: Lass dich nicht auf deren Niveau herab. Hier rein, da raus. Lass dich davon nicht runterziehen. Da musst du drüberstehen. Sag doch einfach den Klassiker: Ich bin dick und kann abnehmen, du bist doof, da kann man nix machen.
Aber seien wir ehrlich: Dumme Sprüche tun weh. Sie sind demütigend und verletzend. Egal wie wohl man sich in seinem Körper fühlt, egal wie body positive (→ Was ist Body Positivity?) und selbstbewusst man ist, egal um wie viel man einem Beleidiger überlegen ist – Beleidigungen tun weh.
Fat-Shaming tut weh
Und soll ich dir mal etwas sagen: Das ist okay, denn das ist der Sinn von Beleidigungen. Sie sollen verletzen. Sie sollen entwerten. Beleidigungen sind nicht nur auf Dicke gemünzt; dumme Sprüche treffen jeden. Deshalb ist es auch nicht machbar, das einfach von sich abzuschütteln, drüberzustehen, sich keine Gedanken drüber zu machen.
Da übergewichtige Menschen aufgrund der großen Projektionsfläche öfter Opfer von Anfeindungen werden können, glauben einige tatsächlich irgendwann, mit ihnen würde etwas nicht stimmen – sie seien das Problem, nicht der andere. Dummerweise ist unser Gehirn auch noch so gepolt, dass es negative Erlebnisse weitaus besser und länger speichern kann als positive (→ Diese Dinge sage ich mir, wenn ich meinen Körper scheiße finde). Wir vergessen also allzu schnell all die netten Dinge, die uns Leute – wichtige Menschen in unserem Leben – gesagt haben, tragen aber jedes Schimpfwort, das uns ein Fremder entgegengeschleudert hat, lange Zeit in unserem Herzen (→ Wenn du deinen Körper nicht lieben kannst). Manchmal kommt die Herabsetzung sogar von Leuten, von denen man sich am meisten wünscht, sie würden einen so akzeptieren, wie man ist (→ Body Shaming durch Eltern).
Wie geht man mit Beleidigungen um?
Wie soll man also mit Beleidigungen umgehen? Man sollte ihnen ihren natürlichen Verlauf lassen. Erstmal. Das heißt, zuerst reagiert man traurig und wütend, man ist verletzt, vielleicht fällt einem eine schlagfertige Antwort fünf Minuten zu spät ein. Das alles ist ganz normal. Such dir einen komfortablen Platz, rede mit Leuten, die dich mögen und deine Wert erkennen. Sei gut zu dir, denn du bist verletzt und verarbeitest (→ Sei dein eigener Standard).
Aber: Lass dein Leben nicht von Anfeindungen kontrollieren. Zieh keine Schlüsse aus Beleidigungen. Lass dich nicht entwerten. Dieser unbedarfte Mensch, der dich beleidigt hat und über dessen Charakter man sicherlich einige wenig schmeichelhafte Vermutungen anstellen könnte, darf dein Leben und deine Einstellung dir selbst gegenüber nicht bestimmen. Es ist okay, wenn man einen dummen Spruch verdauen muss, aber dann gehört er – wie alles Verdaute – ausgeschissen. (→ Wie man mit Beleidigungen umgeht)
Welche Beleidigungen hast du in deinem Leben schon abbekommen und wie bist du damit umgegangen? Diskutier mit ↓
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