Liebe wird überbewertet. Wir haben alle zu viele Disney-Filme geschaut und warten auf einen Prinzen, mit dem sich plötzlich all unsere Probleme in Luft auflösen. Dabei ist es unsere eigene Aufgabe, unser Leben in die Hand zu nehmen und uns selbst zu vervollkommnen.
Neulich habe ich begonnen, ein Buch zu lesen. Ich gebe zu, es war eine ChicLit-Liebesgeschichte – dagegen habe ich auch gar nichts und die Story klang amüsant: Eine Frau reist in „80 Dates“ um die Welt, um ihren Traummann zu finden.
Auf den ersten Seiten erfuhr ich, dass die Protagonistin einen tollen Job hat, liebe Freunde und generell ein schönes Leben. Dennoch weinte sie sich kontinuierlich darüber aus, dass es keinen Partner in ihrem Leben gibt und wie sehr sie sich Mr. Right wünscht.
Ich habe das Buch zugeklappt und seitdem nicht mehr geöffnet.
Hoch zu Ross wird er kommen, der Märchenprinz
Diese Protagonistin hat mich wütend gemacht. Sie hat ein erfüllendes Leben und ist dennoch nur fixiert darauf, sich einen Mann zu suchen. Als würde ihr ganzes Leben nur davon abhängen. Sie erarbeitet sogar eine ausgeklügelte Strategie, um ihren Seelenverwandten zu finden.
In unserer Disney-verklärten Gesellschaft scheint es das oberste Ziel für eine Frau zu sein, einen Prinzen zu ergattern. Dieser rettet sie vor allem Bösen, vor allem vor sich selbst. All ihre Probleme, Zweifel und Ängste verpuffen, sobald der Ritter auf seinem weißen Ross auftaucht.
Liebe ist keine rosarote Wolke
In meinen Teenagerzeiten (und ein Weilchen darüber hinaus) habe ich auch so gedacht. Wenn doch nur dieser supercoole Junge auftauchen würde, der mich aus meiner Einsamkeit und dem Außenseitertum befreien würde. Alle fänden mich prima (und ich mich natürlich auch!) und wären neidisch, schließlich war ich eines so tollen Boyfriends würdig!
Als ich älter wurde und eine tiefgründige Beziehung führte, bestätigte sich, dass es wirklich schön ist, in Liebe mit jemandem verbunden zu sein – aber alleine das löst keine Probleme. Jemand anders ist nicht da, um deine Selbstzweifel und Ängste abzubauen. Er kann zuhören, er kann unterstützen, das alles ist wertvoll, aber das Leben ist deshalb nicht plötzlich eine rosarote Wolke.
Keine Beziehung ist auch eine Beziehung
Nachdem mich der große Singlemarkt wiederhatte, war ich natürlich sofort wieder auf der Pirsch, auf der Suche nach der nächsten großen Liebe. In der Hoffnung, dass dann endlich alles gut würde und vor allem all die Schmerzen und Verletzungen, die die letzte große Liebe mit sich gebracht hatte, verschwänden (→ Ich bin zu dick, um einen Partner zu finden). Doch wahre Verbundenheit und tiefe Gefühle findet man nun einmal nicht an jeder Straßenecke. Eine Beziehung einzugehen, nur um in einer Beziehung zu sein? Nein, danke.
Die Partnersuche treibt seltsame Blüten. Am bildhaftesten wird einem das beim Onlinedating vor Augen geführt (→ 3 Typen, auf die jede übergewichtige Frau beim Onlinedating trifft). Menschen finden sich auf einer Plattform zusammen mit nur einer Gemeinsamkeit: Sie suchen einen Partner für länger oder kürzer. Und auf dieser Gemeinsamkeit, auf diesem Zwang wollen sie etwas aufbauen. Unterschwellig schreit ohnehin alles nur nach Sex, dem fehlgeleiteten Ausdruck von Liebe in unserer Zeit (→ Wie das Internet die Liebe verändert hat).
Liebe wird überbewertet – und unterbewertet
Mir wurde das nach einigen Jahren alles zu viel. All die Zeit, die ich mit dem Durchstöbern von fragwürdigen Profilen verschwendet habe, die Oberflächlichkeit und das stete Durchleuchten jedes Männchens auf seine Partnerqualitäten. Das führte mich an den Punkt, an dem ich den gesellschaftlichen Zwang zum Allheilmittel Liebe in Form von Paarbeziehung an sich hinterfragt habe (→ Wie ich lernte, dick und selbstbewusst zu sein).
Brauche ich einen anderen Menschen, der mich aufwertet, indem er mit mir zusammen ist? Ist es meine Aufgabe, krampfhaft nach Liebe zu suchen? Muss ich Liebe und Beziehung so leben, wie es andere tun? Zu diesem Zeitpunkt habe ich begriffen, dass nur ich selbst mich vervollkommnen kann. Das ist meine Aufgabe. Wer einen anderen benötigt und folglich benutzt, um fehlende Teile in sich selbst zu ersetzen, der liebt nicht, der ist abhängig (→ Wenn du deinen Körper nicht lieben kannst).
Liebe ist wichtig. Liebe hält das Universum zusammen. Liebe gibt dem menschlichen Dasein einen Sinn. Der Wunsch, Beziehungen einzugehen und einer Gruppe anzugehören, wohnt dem Menschen inne. Doch Liebe ist so viel mehr als partnerschaftliche Liebe im biblischen Sinne: die Liebe zur Familie, zu Freunden, zu Tieren, zu Dingen, die wir gerne tun und – am wichtigsten – die Liebe zu sich selbst. Schade, dass das so oft vergessen wird.
Hier gibt’s übrigens die beste Liebe: Selbstliebe → Marshmallow Liebesbriefe
Titelfoto: Kaboompics