Glücklichsein ist in unserer Gesellschaft ein erstrebenswertes Gut. Die „negativen“ Emotionen wollen wir gerne ganz schnell loswerden, sie wegschließen und nicht über sie nachdenken. Doch damit nehmen wir uns Lebensqualität und Entwicklungspotenzial. Marshmallow Mädchen erklärt dir, warum alle Gefühle okay sind und wie du mit „negativen“ Gefühlen umgehen kannst.
Dass alle Gefühle okay sind, war eine der grundlegendsten Erkenntnisse, die ich auf meinem Weg vom unsicheren Mauerblümchen hin zur selbstbewussten Frau erlangt habe (→ Wie ich lernte, dick und selbstbewusst zu sein). Unsere Emotionen sind unsere Stärken – und zwar auch und insbesondere die „negativen“.
Glücklichsein ist kein Dauerzustand
In der Welt, die uns durch Medien und Werbung vorgegaukelt wird, sind stets alle perfekt und happy. Glücklichsein ist in unserer Gesellschaft ein erstrebenswertes Gut. Immer positiv und fröhlich zu sein, zeigt, dass man erfolgreich im Menschsein ist (→ Warum es gut ist, weniger zu wollen).
Trauer, Wut, Zorn, Hass, Unglück, Verzweiflung, Frustration – das sind „negative“ Gefühle. Gefühle, die man möglichst bald abschalten sollte. Sie sind schwer zu ertragen und geben uns das Gefühl, unser Seelenleben nicht im Griff zu haben.
Doch all diese Gefühle sind Reaktionen auf Reize. Warum du auf einen Reiz so reagierst, wie du es tust, hat einen Grund. Du hast eine Geschichte, deine emotionale Historie. Alle Erfahrungen, die du in deinem Leben gemacht hast, haben dich zu der Person gemacht, die du heute bist: ein komplexes Wesen mit einer reichhaltigen Innenwelt.
Das Leben ist eben nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Manchmal ist das Leben hart und ungerecht. Alle unsere Erfahrungen müssen mithilfe von Gefühlen eingeordnet werden. Erst unsere Gefühle ermöglichen es uns also, Erlebnisse zu verarbeiten. Deshalb sind alle Gefühle, die du fühlst, (erst einmal) vollkommen in Ordnung.
Ungefühlte Gefühle potenzieren sich
Hast du dich schon einmal schlecht gefühlt, weil du dich schlecht fühlst? Hast du dich fertig gemacht, weil du unglücklich bist, aber doch eigentlich keinen Grund dazu hast? Hast du dich schon einmal niedergemacht, weil du nicht selbstbewusst bist, obwohl das anderen ganz leicht zu fallen scheint? Hat dich schon einmal jemand beleidigt und daraufhin hast du dich selbst noch mehr runtergezogen? (→ Wie man mit Beleidigungen umgeht)
Du fühlst dich schlecht und bekommst ein schlechtes Gewissen, weil du dich schlecht fühlst. Weil du einfach ein so schrecklicher Mensch bist, undankbar, hässlich, wertlos, einfach eine totale Katastrophe… Stopp! Das ist ein klassischer Teufelskreis.
Sich schlecht zu fühlen ist kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Dadurch vermehrst du die „negativen“ Gefühle erst recht. Du möchtest dich besser fühlen, erkundest aber nicht, warum du dich gerade nicht gut fühlst. Auf diese Art und Weise verdrängst du das Ursprungsgefühl genauso, als wenn du es zu überspielen versuchst. Doch nur weil du etwas verdrängst, geht es nicht weg. Menschen, die unter Depressionen, Angstzuständen oder Burn-out leiden, haben das schmerzlich erfahren müssen.
Ungefühlte Gefühle potenzieren sich. Auch deshalb ist es so wichtig, dass du allen Gefühlen erlaubst, gefühlt zu werden. Sie alle haben einen Grund und eine Existenzberechtigung.
Alle Gefühle sind okay
Das Verlangen, „schlechte“ Gefühle zu verdrängen oder möglichst schnell loszuwerden, ist nachvollziehbar und menschlich. Doch Gefühle gehen nicht weg, wenn wir sie verleugnen. Sie sind wie ein Sturm: Dem Sturm ist es egal, ob du ihn ignorierst, er wird seinen natürlichen Verlauf nehmen.
Du kannst allerdings deine Perspektive auf deine Gefühle ändern. Höre damit auf, Gefühle in Kategorien wie „gut“ und „schlecht“ einzuteilen. Wenn du ein Gefühl nicht als „schlecht“ oder „negativ“ kategorisierst, sondern einfach nur als „berechtigt“, dann eröffnest du dir selbst die Möglichkeit, dieses Gefühl ohne schlechtes Gewissen anzunehmen. (→ Selbstwertgefühl stärken bei Übergewicht – 3 Tipps)
Alle Gefühle sind okay. Alle Gefühle haben ein Recht darauf, gefühlt zu werden. Alle Gefühle gehen vorbei.
Wie du mit „negativen“ Gefühlen umgehen kannst
Triffst du auf ein Gefühl, dass du am liebsten ganz schnell verdrängen möchtest, dann mach dir als allererstes bewusst: Alle Gefühle sind okay.
Wenn du traurig oder wütend bist, dann nimm diese Gefühle an und fühle sie, ertrage sie – auch wenn es schwerfällt. Und dann schau hinter diese Gefühle: Wodurch wurden sie ausgelöst? Ist deine Reaktion auf ein Ereignis verhältnismäßig? Warum trifft dich etwas besonders? (→ 3 einfache Übungen, um dein Selbstbewusstsein zu stärken)
Indem du Gefühle hinterfragst – übrigens auch die „guten“ –, kannst du lernen, mit ihnen umzugehen oder auf bestimmte Situationen anders zu reagieren. Gefühle zuzulassen bedeutet nicht, sich ihnen zu ergeben. Es heißt lediglich, dass du den natürlichen Prozess annimmst, den ein Gefühl durchlaufen muss, bevor es sich zu einem anderen (angenehmeren) Gefühl transformieren kann.
Wenn du allerdings merkst, dass deine „schlechten“ Gefühle Überhand nehmen und dich immer öfter überwältigen, dass sie dich in deinem Leben einschränken, dir deine Lebenslust nehmen und du sie nicht alleine bewältigen kannst, dann scheu dich nicht davor, Hilfe von einem Psychologen in Anspruch zu nehmen. Es ist erlaubt, dass du für deine kränkelnde Seele einen Seelenarzt aufsuchst. Anlaufstellen sind zum Beispiel der Berliner Krisendienst (nur für Berlin), der Psychotherapie-Informationsdienst oder die Therapeutensuche der Bundespsychotherapeutenkammer.
Titelfoto: Death To Stock