Dem Konzept der Body Positivity steht oft das Argument gegenüber, dass es einen ungesunden Lebensstil propagiere – nämlich Übergewicht. Dabei ist Body Positivity weder auf Übergewichtige beschränkt noch hat die Idee dahinter irgendetwas mit dem Gesundheitszustand einer Person zu tun.
Bei Body Positivity geht es darum – wie der Namen schon sagt -, seinem Körper positiv gegenüberzustehen. Ich übersetze das Wort in Ermangelung einer besseren Übersetzung oft mit Selbstliebe, obwohl Liebe nicht das unbedingte Ziel von Body Positivity ist. Körperakzeptanz ist vielleicht ein akuraterer Begriff. Denn Kern des Ganzen ist, seinen Körper, so wie er jetzt ist, zu akzeptieren und im besten Falle auch zu lieben – und gleichzeitig die verschiedenen Körper aller anderen zu respektieren (→ Was ist Body Positivity?).
Body Positivity heißt Akzeptanz
Das Body-Positive-Movement hat nicht einmal etwas mit Schönheit zu tun. Manche Menschen fühlen sich durch Body Positivity angegriffen, weil sei glauben, sie müssten Dicke jetzt schön finden. Dicke müssen nicht einmal Dicke schön finden. Du musst nicht einmal dich selbst schön finden – obwohl das natürlich ein Riesenplus wäre! Bei Body Positivity geht es in erster Linie um Akzeptanz – Positivität gegenüber der Negativität -, um sich dadurch wohler und befreiter zu fühlen und sich dem Gefängnis der Schönheitsideale zu entziehen (→ Gefängnis der Schönheitsideale).
Das Body-Positivity-Konzept erreicht derzeit größere Bekanntheit, weil vor allem dicke Frauen sich nicht mehr einem unsinnigen und unerreichbaren Schönheits- und damit Akzeptanzideal in unserer Gesellschaft unterwerfen wollen. Plus-Size-Blogger verbreiten Body Positivity, indem sie sich in Kleidung und Situationen zeigen, die für viele Übergewichtige bis vor kurzem undenkbar waren.
Body Positivity hat nicht unbedingt etwas mit Übergewicht zu tun
Aber Body Positivity ist kein Ding nur für Übergewichtige, sondern für alle Menschen, die in irgendeiner Weise ein Problem mit der Akzeptanz ihres Körpers haben, sei es durch die Gesellschaft oder sich selbst. Und dieses Problem haben, seien wir ehrlich, fast alle. Frauen sind häufiger betroffen, aber auch Männern ist Unzufriedenheit mit ihren Körpern nicht fremd. Eine Studie der Glamour an 1.000 Frauen brachte zum Vorschein, dass 54 Prozent der Frauen (13 Prozent mehr als vor 30 Jahren) sich hässlich fanden und 80 Prozent (!) angaben, sich beim Blick in den Spiegel schlecht zu fühlen.
Body Positivity schließt Männer und Frauen ein, Dicke und Dünne, Große, Kleine und Behinderte. Es ist für alle, die schon einmal vor dem Spiegel standen und sich hässlich fanden. Mit dem Gesundheitszustand einer Person hat es nur insofern zu tun, als dass man auch gesundheitlich bedingte „Makel“ des Körpers, also ein „Anderssein“, eine Abweichung vom Ideal, zum Beispiel ein Hinken oder Rosazea oder eben Über- oder Untergewicht, als zu sich gehörig akzeptiert (→ Sei dein eigener Standard).
Jedoch kann man unter jedem Bild, das ein – auch nur mäßig – Übergewichtiger im Internet postet, die vielmals bekundete „Besorgnis“ lesen, dass dies doch nicht gesund sei und somit ein ungesunder Lebensstil propagiert werde (→ Body Positivity vs. Übergewicht verherrlichen). Wie wir beim Fußball plötzlich 82 Millionen Bundestrainer haben, so wird durch das Bild eines dicken Menschen der innere Arzt getriggert – der in etwa so viel Ahnung hat wie der innere Bundestrainer. Viel mehr noch: Ein Ressentiment, eine Diffamierung, eine Diskriminierung wird durch ein Scheinargument zu validieren versucht (→ Hau ab, du fette Sau! (Fat-Shaming)).
Body Positivity und Gesundheit sind zwei verschiedene Baustellen
Ob ein Mensch gesund ist – ob er gar gesundheitliche Probleme hat, die durch sein Übergewicht verursacht werden – spielt für Body Positivity keine Rolle. Es sind zwei verschiedene Baustellen, eine am Nord-, eine am Südpol. Denn: Würdest du dein Kind oder deine beste Freundin weniger lieben, wenn sie krank/ungesund wären? Eben. Body Positivity möchte, dass wir aufhören, den Wert eines Menschen an seinem Körper abzulesen. Wer übergewichtig ist, ist nicht weniger wert. Und wer krank ist, ist ebenso nicht wertlos und verdient es, mit einem Mindestmaß an Respekt behandelt zu werden. Punkt.
Gerade wenn man den Gedanken von durch Fehlernährung und Bewegungsmangel geförderte Krankheiten weiterdenkt, dann ist die Relevanz der Selbstakzeptanz und Selbstliebe für Menschen, die abnehmen wollen, bisher viel zu kurz gekommen. Dabei kann Body Positivity bei einem gesunden Lebensstil sehr hilfreich sein (→ Wie hilft Body Positivity beim Abnehmen?). Du kannst nur schwerlich gut zu dir sein, wenn du dich nicht liebst oder nicht wenigstens etwas magst.
Erst kommt die Akzeptanz und die Liebe für sich selbst. Dann kommt alles andere.
Titelfoto: Pexels / Wesley Wilson (CC0)